OVG Nordrhein-Westfalen: Amtsentbindung von Tarifbeschäftigten
Nach § 22 Nr. 3 VwGO sind „Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst, soweit sie nicht ehrenamtlich tätig sind“, als ehrenamtliche Richter in der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgeschlossen. Nach Wegfall der Unterscheidung von Angestellten und Arbeitern kommt es für die Bestimmung als „Angestellter“ im Sinne der VwGO maßgeblich auf die Nähe zum öffentlichen Dienstherrn an, wenn die Tätigkeit – aus Sicht eines Beteiligten – typischerweise als solche einer als Einheit verstandenen Verwaltung aufgefasst werden muss. Ob sich der ehrenamtliche Richter subjektiv in der Lage sieht, inhaltlich frei und unabhängig zu entscheiden, ist unerheblich. (Leitsatz d. Red.)
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.5.2025 – 16 F 24/25
Gründe: § 22 Nr. 3 VwGO soll Interessen- und Pflichtenkollisionen vermeiden, die richterliche Unabhängigkeit gewährleisten und das VG – vor dem in der Regel Private Rechtsschutz gegen staatliche oder gemeindliche Institutionen begehren – nicht in den Verdacht bringen, dass es die Verwaltung zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden schützt. Nach Wegfall der Unterscheidung von Angestellten und Arbeitern im öffentlichen Dienst – tarifvertraglich wie rentenversicherungsrechtlich – kommt es für die Entscheidung, ob jemand „Angestellter“ i. S. v. § 22 Nr. 3 VwGO ist, maßgeblich darauf an, ob der Betreffende eine Nähe zum Dienstherrn aufweist, dass sein Handeln von einem Beteiligten als solches der – als Einheit verstandenen – Verwaltung aufgefasst werden muss. Die Nähe bestimmt sich nach dem Inhalt der Tätigkeit. Es kommt nicht darauf an, wie der ehrenamtliche Richter das Verhältnis subjektiv bewertet und ob er sich in der Lage sieht, als ehrenamtlicher Richter inhaltlich frei und unabhängig von seinem Dienstherrn zu entscheiden.
L. ist als Angestellte im öffentlichen Dienst i. S. v. § 22 Nr. 3 VwGO anzusehen. Sie ist im Referat „Arbeits- und Gesundheitsschutz“ als Tarifbeschäftigte Sachbearbeiterin im Aufgabenbereich „Bedarfsträger für Assistivtechnik“. Wesentlicher Teil ihrer Tätigkeit ist die Koordinierung der Beschaffung assistiver (unterstützender) Arbeitsmittel für schwerbehinderte Beschäftigte der Bundesfinanzverwaltung. Sie trifft Entscheidungen zu Erforderlichkeit und Eignung der Hilfsmittel, Einbindung interner und externer Berater, Beschaffungsvorgaben für assistive Arbeitsmittel, berät Führungskräfte, Schwerbehindertenvertretung sowie betroffene Beschäftigte und nimmt Grundsatzaufgaben bei Maßnahmen des Arbeits-, Gesundheits- und Strahlenschutzes wahr (u. a. Schulungskonzepte zu Arbeitsschutzthemen, Auswahl und Akquise von externen Lehrenden für Fortbildungsveranstaltungen, Einweisung und Betreuung neuer Fachkräfte für Arbeitssicherheit). Diese Tätigkeiten erfüllen öffentlich-rechtliche Pflichten der Bundesfinanzverwaltung und stellen keine bloßen Hilfstätigkeiten dar. Sie werden aus der Sicht eines Beteiligten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als Handeln der Verwaltung wahrgenommen, somit dem öffentlichen Dienst zugerechnet. L. nimmt Aufgaben wahr, die ein Auftreten gegenüber Dritten, die nicht der Bundesfinanzverwaltung angehören, erfordern. Damit repräsentiert sie aus der Sicht eines Außenstehenden die Verwaltung.
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Zitiervorschlag: OVG Nordrhein-Westfalen: Amtsentbindung von Tarifbeschäftigten, in: LAIKOS Journal Online 3 (2025) Ausg. 3, S. 102-103.