Gesetzesvorhaben im Koalitionsvertrag
Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD ist ein Fahrplan für künftige Gesetzgebungsverfahren, die auch die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter interessieren dürften. Das Strafrecht nimmt einen großen Umfang ein, der insbesondere die Erweiterung und Verschärfung von Strafgesetzen beinhaltet. Die Strafbarkeit der geheimdienstlichen Agententätigkeit für eine fremde Macht, die bislang mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe, in besonders schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft wird, wird zu einem einheitlichen Strafrahmen von mindestens sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe erweitert werden; der bisherige Strafrahmen gilt nur noch für einen nicht näher definierten minder schweren Fall.
Vor einigen Jahren ist der Straftatbestand des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte (§§ 113,114 StGB) auf tätliche Angriffe u. a. gegen im Einsatz befindliche Rettungskräfte (Feuerwehr, Katastrophenschutz, Rettungsdienst usw., § 115 Abs. 3 StGB) erweitert worden. In diesen Kreis sollen nunmehr „Kommunalpolitiker“ sowie „für das Allgemeinwohl Tätige“ einbezogen werden. Welche näheren Voraussetzungen dafür vorliegen müssen, weist der Vertrag nicht aus. Im Cyberstrafrecht sollen Strafbarkeitslücken geschlossen werden, insbesondere im Hinblick auf falsche Tatsachenbehauptungen (Deep Fakes) und auch schärfer strafrechtlich gegen Plattformen vorgegangen werden. Terrorismus, Antisemitismus, Hass und Hetze sollen noch intensiver bekämpft und dazu insbesondere der Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) verschärft werden. Bei der Gewaltkriminalität soll der strafrechtliche Schutz von Frauen und besonders verletzlichen Personen wie Kindern, gebrechlichen Menschen und Menschen mit Behinderung durch ein neues Qualifikationsmerkmal bei Mord, gefährlicher Körperverletzung und schwerem Raub verbessert werden. Hinsichtlich des Mordes bedeutet dies, dass die lebenslange Freiheitsstrafe auf weitere Tathandlungen ausgedehnt werden soll. Eine irgendwie geartete Begründung, warum die Gerichte mit den gegenwärtigen Strafrahmen nicht auskommen, enthält der Vertrag nicht. Er belässt es bei dem Ziel „mehr und härtere Strafen“.
Die Verfahrensordnungen sollen die Prozessdauer erheblich verkürzen, indem u. a. der Zugang zu zweiten Tatsacheninstanzen begrenzt wird. Im selben Absatz des Vertrages wird eine „grundlegende Überarbeitung der Strafprozessordnung“ angekündigt, was hinsichtlich der Schöffen bedeutet, dass weniger Verfahren im Wege der Berufung gegen amtsgerichtliche Urteile zur Kleinen Strafkammer kommen. Damit würde der Anteil der Strafverfahren, in denen keine Schöffen mehr beteiligt sind, deutlich steigen. Im gleichen Zusammenhang wird die Novellierung der VwGO angekündigt, mit der ein vermehrter Einsatz von Einzelrichtern ermöglicht werden soll. Auch diese Reform richtet sich unmittelbar gegen die Beteiligung ehrenamtlicher Richter.
Diese und weitere Vorhaben der künftigen Koalition, die als „Verbesserung“ angekündigt werden, erfordern große Aufmerksamkeit durch die Organisationen der Zivilgesellschaft. Die Mitwirkung des Souveräns an den Verfahren, die Art. 20 Abs. 2 GG immer noch „durch besondere Organe der Rechtsprechung“ vorsieht, steht jedenfalls auf dem Spiel. Der auf Seite 119 des Vertrages angesprochene „Schutz des Ehrenamts“ erwähnt zwar die „Blaulicht-Familie“ und „Vereine und Verbände, die unsere Zivilgesellschaft zusammenhalten“ und wiederholt deren Schutz durch härtere Strafen und schnellere Prozesse; die Beteiligung der Zivilgesellschaft bei diesen Verfahren muss der Leser leider vermissen.
Verantwortung für Deutschland. Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD, 2025 [Abruf: 24.4.2025].
Zitiervorschlag: Gesetzesvorhaben im Koalitionsvertrag, in: LAIKOS Journal Online 3 (2025) Ausg. 1, S. 19.