T. Fuchsberger: Reform oder Abschaffung der Laiengerichtsbarkeit im österreichischen Strafrecht?
Teresa Fuchsberger: Reform oder Abschaffung der Laiengerichtsbarkeit im österreichischen Strafrecht? Wien: NWV im Verl. Österreich 2025. 162 S. (Schriftenreihe der Vereinigung Österreichischer StrafverteidigerInnen; Bd. 42) Print-Ausg.: ISBN 978-3-7083-4266-5 € 56,42 (Deutschland); € 58,00 (Österreich)
Die von der Universität Salzburg 2024 angenommene Dissertation analysiert – mit Seitenblick auf weitere EU-Staaten – das in Österreich vorhandene klassische Schwurgericht in einer stufenweisen Fragestellung seiner Reformierbarkeit, Ersetzung durch das (ggf. reformierte) Schöffengericht bis hin zur Abschaffung jeder Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Strafgerichtsbarkeit. Die Vereinigung Österreichischer StrafverteidigerInnen hat das Werk in ihre Schriftenreihe aufgenommen, weil auch die Anwaltsorganisation über diese Frage diskutiert und sich in der Generalversammlung 2017 mit großer Mehrheit für eine reformierte Geschworenengerichtsbarkeit ausgesprochen hat.
Zentrales Ergebnis der Arbeit ist, dass das Geschworenengericht klassischer Prägung, in dem eine Jury über den Schuldspruch entscheidet, abgeschafft werden soll. Die Ersetzung durch ein Schöffengericht wird unter die zwingende Voraussetzung gestellt, dass die Schöffen über eine juristische Qualifikation verfügen müssen, andernfalls die gänzliche Abschaffung der Laiengerichtsbarkeit empfohlen wird. Diese Qualifikation vorausgesetzt, entwickelt die Autorin eine Reihe von Reformvorschlägen für das Schöffengericht wie – bei dessen Beibehaltung – für das Geschworenengericht. Letzteres sollte ein unbeschränktes Fragerecht sowie ein durch die Berufsrichter nur einstimmig abzulehnendes Beweisantragsrecht erhalten. An der Beratung der Jury soll ein Berufsrichter ohne Stimmrecht teilnehmen, für den Wahrspruch eine Begründungspflicht eingeführt werden. Interessant ist, dass die Autorin prima vista Geschworenen wie Schöffen bestimmte Kompetenzen absprechen will. „Absolut politische Delikte“ sollen einem Einzelrichter oder einem Senat aus drei Berufsrichtern vorbehalten bleiben, dem Schöffengericht die Zuständigkeit für (schwere) Sexualdelikte entzogen werden; hilfsweise sollen die Schöffen als Psychologen, Mitarbeiter von Opfereinrichtungen bzw. Gewaltschutzzentren entsprechend geschult sein. Ergänzt werden die Vorschläge durch Überlegungen, ob die Möglichkeiten zur Anfechtung eines Urteils erweitert werden sollen.
Rechtspolitisch enthält die Schrift eine Reihe diskussionswürdiger, lösungsorientierter Vorschläge, die auch für das deutsche System von Interesse sind. Insoweit muss ein Ergebnis der Studie, eine Vereinheitlichung der Laiengerichtsbarkeit in der EU sei nicht umsetzbar, mit Zurückhaltung betrachtet werden. Es sei auf die Bestrebungen des Europäischen Netzwerks der Vereinigungen Ehrenamtlicher Richter (ENALJ) verwiesen, das eine Harmonisierung der Laienbeteiligung unter Beibehaltung essenzieller Eigenarten anstrebt. Diese kann z. B. den Gedanken der Dissertation aufnehmen, die Teilhabe an der Rechtsprechung nicht auf die Staatsbürger zu begrenzen, sondern auf die (EU-)Einwohner auszudehnen. Unter wissenschaftlichen Aspekten betrachtet, merkt man der Dissertation deutlich an, dass ihr Ergebnis ein erstrebtes, nicht abgeleitetes ist. Sie ist von dem unerschütterlichen Glauben getragen, allein das juristische Studium befähige zu einer unabhängigen und neutralen Urteilsfindung. (hl)
Zitiervorschlag: Hasso Lieber, T. Fuchsberger: Reform oder Abschaffung der Laiengerichtsbarkeit im österreichischen Strafrecht? [Rezension], in: LAIKOS Journal Online 3 (2025) Ausg. 2, S. 72.