G. Geiger; S. B. Gareis (Hrsg.): 75 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
Gunter Geiger; Sven Bernhard Gareis (Hrsg.): 75 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Ansätze und Perspektiven für deren Schutz in herausfordernden Zeiten. Opladen: Budrich 2024. 215 S. Print-Ausg.: ISBN 978-3-8474-3001-8 € 29,90
In vier Teilen stellen die Autoren die Entwicklung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte dar, die politische Absicht, keine bindende Rechtsgrundlage ist. Dass Recht ohne Macht zur Wirkungslosigkeit verurteilt ist, wird bereits im Vorfeld der Erklärung deutlich. Die USA und die UdSSR waren sich in der Auffassung einig, dass der Erklärung keine Bindungswirkung zukommen sollte. Gleichwohl hat sie große Wirkung erzielt als Blaupause für weitere Vereinbarungen mit Bindungskraft wie etwa die Europäische Menschenrechtskonvention oder die Charta der Grundrechte der EU. Die Erklärung selbst entfaltete Argumentations- wie Agitationspotenzial. Das im zweiten Kapitel behandelte Asylrecht macht deutlich, das in der öffentlichen Diskussion der Zuspruch zu diesem Recht (auch) davon abhängt, ob es von den „Richtigen“ (z. B. ausreisewilligen DDR-Bürgern) oder den „Falschen“ (Migrationsbewegung seit 2015) in Anspruch genommen wird. Volker Heins analysiert das Phänomen in neun Thesen.
Recht ohne Macht ist wirkungslos. Nicht zufällig sind die beiden erwähnten Großmächte und China dem von 123 Staaten unterzeichneten Vertrag über den Internationalen Strafgerichtshof ferngeblieben, der für die Aburteilung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen zuständig ist. Der Beitrag von Patricia Schneider beleuchtet die Arbeit des Gerichtshofs, dessen Aufgabe bei der Durchsetzung von Menschenrechten ebenfalls manipulativen Deutungen ausgesetzt ist – zuletzt bei seinen Ermittlungen in Palästina. Die Bestrebungen zur Deutungshoheit im Recht werden z. B. am Recht der Religionsfreiheit sichtbar, werden doch Menschen ihrer Religion wegen ebenso verfolgt wie im Namen von Religion Kriege und Eroberungen stattfinden. Daniel Bax nennt die Erklärung deshalb ein unvollendetes Projekt, das von Rückschlägen, Widersprüchen und Ungleichzeitigkeit geprägt ist. Die Frage, was Deutschland zur Stärkung der Menschenrechte tun kann, wird von Beate Wagner zu Recht aufgeworfen. Sie fordert Abkehr von dem Trend, den globalen Menschenrechtsschutz stets mit Blick auf andere, anstatt auf sich selbst zu betrachten – aber nicht aus Staatsräson, die Michael Brand für die Akzeptanz der Menschenrechte in Deutschland heranzieht. Die kurzen Hinweise sollen den entscheidenden Vorteil der Sammlung deutlich machen. Die Beiträge ergehen sich nicht in Jubiläums-Lobeshymnen, sondern erklären, dass die Menschenrechte als politische Aufträge, aber auch als Agitationsmaterial gebraucht werden können. Der Zivilgesellschaft kommt zu, sie ihrer menschen-nützlichen Funktion zuzuführen. (hl)
Zitiervorschlag: Hasso Lieber, G. Geiger; S. B. Gareis (Hrsg.): 75 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte [Rezension], in: LAIKOS Journal Online 1 (2025) Ausg. 1, S. 31.