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Literaturumschau

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Nach einer Bestandsaufnahme der Argumente für und gegen die Beteiligung von Schöffen, ihrer Mitwirkungsrechte sowie ausgewählter empirischer Untersuchungen über den Einfluss in der Hauptverhandlung werden die Ergebnisse der Untersuchung von Breithaupt im Rahmen einer Bachelorarbeit (betreut von Kraatz) dargestellt: „Wie erleben und bewerten Schöffen ihre Beteiligung im Strafprozess?“ Insbesondere wird der Einfluss auf das Urteil in den Fokus genommen. Dazu wurden Hauptschöffen am AG Tiergarten (Berlin) in vier Interviews zur Ausführlichkeit der Vorgespräche, Beratung, Abstimmung und Zusammenarbeit mit den Berufsrichtern befragt. Die Befragten nehmen ihr Amt positiv und als tatsächliche Mitwirkung wahr, sie können sich aktiv einbringen, die Urteilsfindung wird als kooperativ empfunden. Das „Beteiligungserleben“ werde aber maßgeblich vom jeweiligen Berufsrichter beeinflusst. Aufgrund des geringen Rücklaufs der Anfragen – trotz Unterstützung durch den Bund ehrenamtlicher Richterinnen und Richter, Landesverband Brandenburg und Berlin und der Schöffenvertretung des AG Tiergarten – halten die Autoren umfangreichere qualitative Studien zur Beteiligung von Schöffen für erforderlich; die Ergebnisse verdeutlichten die Notwendigkeit einer differenzierteren Betrachtungsweise. Die neuere Rechtsprechung zur Kenntnis der Schöffen von Akteninhalt und wesentlichem Ergebnis der Ermittlungen (BGH 1997, EGMR 2008) hätte den Artikel aus 2025 abgerundet. (us)

Der Autor überlegt anhand der Rechtslage und von Reformvorschlägen, wie Personen mit verfassungsfeindlicher Einstellung im Schöffenamt verhindert werden können. Der Initiative der Ampelregierung, die Verfassungstreue von Schöffen gesetzlich zu verankern mit der Folge einer fehlerhaften Besetzung des Gerichts, wenn sich ein amtierender Schöffe als nicht verfassungstreu erweist, erteilt er eine Absage. Diese schaffe nur einen zusätzlichen Revisionsgrund. Er fordert, bei der Schöffenwahl anzusetzen und die demokratische Mehrheit zu mobilisieren. Die Problematik einer allein an Quantitäten ausgerichteten Mobilisierung lässt sich an der Wahl 2023 leicht überprüfen. Auch dem Vorschlag, die Bevölkerung durch überregionale Hinweise auf die Vorschlagslisten und deren Einsichtnahme aufmerksam zu machen, fehlt es an der Wahrnehmung, dass viele Gemeinden die Listen an nur fünf Tagen während der Dienstzeit in Diensträumen auslegen, was einer verbreiteten Kenntnisnahme entgegensteht. Der Regelanfrage beim Verfassungsschutz steht er ablehnend gegenüber und schlägt die zwingende Abfrage beim Bundeszentralregister vor (was die Verwaltungsvorschriften der Länder bereits tun). Sein Vorschlag, das Beratungsgeheimnis zu durchbrechen, wenn sich Schöffen in der Beratung als verfassungsfeindlich erweisen, soll – entsprechend der Rechtsprechung – klarstellend in § 43 DRiG geregelt werden. (hl)

Der Beitrag analysiert die Vorschläge der Koalitionsparteien zu Einzelfragen des Sexualstrafrechts (§ 177 StGB). Vorrangig sollen die Strafrahmen bei Gruppenvergewaltigungen, bei Vergewaltigung und Herbeiführen einer Schwangerschaft angehoben werden. Die Autorin hält stattdessen eine grundlegende Überarbeitung von § 177 StGB für sinnvoll; eigene Tatbestände sollten gefasst werden, an die sich geeignete Qualifikationen knüpfen. Der Koalitionsvertrag sieht auch eine Prüfung der verbalen sexuellen Belästigung (sog. Catcalling) vor. Diese könne aber bereits nach geltendem Recht als Beleidigung strafbar sein. Nicht im Koalitionsvertrag erwähnte Problemfelder werden ebenfalls angesprochen, wie das „Nur Ja heißt Ja“-Modell. Hier stehe das deutsche Strafrecht hinter den Vorgaben der Istanbul-Konvention zurück, die die Vertragsstaaten verpflichtet, nicht einverständliche sexuell bestimmte Handlungen unter Strafe zu stellen. Handlungsbedarf sieht Hoven auch in der Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts durch Täuschungen, etwa über Verhütung oder Vorliegen von Geschlechtskrankheiten, sowie fahrlässige sexuelle Übergriffe, wenn z. B. die Willensbildung aufgrund erheblicher Alkoholisierung eingeschränkt ist. (us)

Ein leidenschaftliches Plädoyer für die Unschuldsvermutung! Dieser Grundsatz gehöre zum Erbe der Aufklärung und leite sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ab – stehe somit mahnend und warnend über jedem Strafverfahren. Die bloße Einleitung des Ermittlungsverfahrens dürfe nicht mit dem Nachweis der Schuld gleichgesetzt werden. Unschuldsvermutung bedeute aber nicht, dass jeder Verdächtige als Unverdächtiger zu behandeln sei oder potenzielle Opfer und Zeugen nicht reden dürften. Auch bei moralischen Verfehlungen sei der Grundsatz der Unschuldsvermutung zu beachten. Die Anforderungen an die sorgfältige Recherche über den Wahrheitsgehalt seien für die Medien deutlich strenger als für Privatleute. Daher dürfe sich in der medialen Berichterstattung die Unschuldsvermutung nicht in eine Schuldvermutung umkehren, sodass beim späteren Freispruch oder der Einstellung des Verfahrens etwas „hängenbleibe“. Ein Beschuldigter dürfe nicht – wenn sich seine Unschuld herausstellt – vor den Trümmern seiner Existenz stehen. Die Praxis sehe leider anders aus, wie Prantl u. a. anhand der Fälle Jörg Kachelmann und Christian Wulff darstellt. Der Unschuldsvermutung gehe es nicht gut – so das Resümee des Autors. (us)

Der Autor analysiert Begriff und Maßstab der Besorgnis der Befangenheit, indem er zunächst die Unparteilichkeit des Richters als Grundsatz des rechtsstaatlichen Strafverfahrens und Voraussetzung der Unvoreingenommenheit darstellt. Die im Voraus bestimmte richterliche Zuständigkeit (§§ 1 ff. StPO) und die Ausschließung oder Ablehnung des Richters (§§ 22 ff. StPO) sicherten seine Unabhängigkeit und Neutralität im Einzelfall. Diese Regelungen seien Ausprägung des gesetzlichen Richters und fairen Verfahrens. Ob eine Parteilichkeit tatsächlich vorliege, müsse nicht nachgewiesen werden; es genüge der Anschein der Parteilichkeit. Daher spricht § 24 StPO von der „Besorgnis“. Während die Ausschließungsgründe konkretisiert werden können (z. B. Verwandtschaftsverhältnis), sind die Ablehnungsgründe im Einzelfall zu beurteilen. Hierzu hat die Rechtsprechung Fallgruppen entwickelt. Der Autor untersucht, ob diese für eine grundlegende Beurteilung der Besorgnis der Befangenheit hilfreich sind. Nach der Legaldefinition müsse durch einen Umstand ein berechtigtes Misstrauen an der Unparteilichkeit des Richters begründet werden. Der Grund für eine berechtigte Ablehnung müsse zudem geeignet sein, Misstrauen an der Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Er müsse sich auf objektive Tatsachen beziehen. Die Beurteilung vom Standpunkt des Ablehnungsberechtigten reicht nach Ansicht des Autors nicht; vielmehr sei auf den unbeteiligten Dritten abzustellen. Während sich die (Un-)Parteilichkeit auf die innere Haltung des Richters beziehe, stelle die (besorgte) Befangenheit die maßgebliche innere Ursache für die (Gefahr der) Parteilichkeit dar. Daher spricht der Autor von „Befangenheitsbesorgniseignungsgründen“. (us)

Der Autor befasst sich zunächst mit der Geschichte des Selbstleseverfahrens (§ 249 Abs. 2 Satz 1 StPO) und den Gründen der Änderungen seit der Einführung 1978. Danach kann von der Verlesung von Urkunden abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunden Kenntnis genommen haben. Das Selbstleseverfahren werde in der Literatur heftig kritisiert. Der Autor prüft, ob diese Kritik berechtigt ist. Mündlichkeit und Öffentlichkeit werden zwar eingeschränkt; dafür biete das Selbstlesen Vorzüge für die Wahrheitsfindung im Strafprozess, da inhaltlich komplexe Urkunden besser erfasst werden können. Daher könne die Hauptverhandlung effektiver gestaltet werden. Der Autor hält das Selbstleseverfahren für eine gleichwertige Alternative zum Verlesen. Zusätzliche Bedeutung erhalte das Selbstleseverfahren in Verbindung mit § 257a StPO. Das Gericht kann den Verfahrensbeteiligten aufgeben, Anträge und Anregungen zu Verfahrensfragen schriftlich zu stellen. Auch diese scharf kritisierte Regelung hält der Autor für sinnvoll, da sie vorrangig der strafferen Durchführung und Beschleunigung von Umfangsverfahren diene. Das Gericht könne abwägen, ob es im Einzelfall von diesem Vorgehen Gebrauch macht und eine entsprechende Anordnung trifft. Beide Regelungen seien mit rechtsstaatlichen Grundsätzen zu vereinbaren. (us)


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