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Literaturumschau

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Ausgehend von der Verantwortung der Schöffen, gemeinsam mit den Berufsrichtern über Schuld und Strafe zu entscheiden, gehen die Autoren der Frage nach, ob und wie ggf. mit einer Überforderung der Schöffen umzugehen ist. Bei den Aufgaben und der Funktion widmen sie sich ausführlich der Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Akteneinsicht der Schöffen. Minimalkonsens sei die Kenntnis des Anklagesatzes sowie einzelner Aktenteile als Hilfsmittel zum besseren Verständnis der Beweisaufnahme. Wann und wie umfangreich Aktenkenntnis erlangt wird, könne in Umfangsverfahren ein Problem darstellen. Weiterhin greifen die Autoren den Einsatz von Schöffen in Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren auf. Am Beispiel der Cum-Ex-Verfahren am LG Bonn wird aufgezeigt, dass die Berufsrichter sich vorab über mehrere Monate in komplexe Bank- und Börsengeschäfte einarbeiten mussten. Es sei zu befürchten, dass die Schöffen nicht in der Lage sind, diese inhaltlich zu erfassen, dem Prozessverlauf zu folgen und die Beweisaufnahme zu verstehen. Die Beweiswürdigung sei schwieriger geworden, weil die Anforderungen an die Begründung richterlicher Entscheidungen gestiegen sind, und überfordere die Schöffen. Die Auswahl der Schöffen könnte deshalb dahingehend geändert werden, in Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren qualifizierte Schöffen einzusetzen. (us)


Mit dem Begriff „neue Arbeitsformen“ verbindet der Autor drei Elemente: Arbeiten mit einem Rechner, örtliche Flexibilität (Homeoffice, mobiles Arbeiten) sowie physische und menschliche Isolation. Die anfängliche Begeisterung für Homeoffice habe sich gelegt, da mittlerweile psychische Erkrankungen bekannt sind. Viele Unternehmen ordnen daher Tage mit Anwesenheitspflicht im Büro an. Zunächst wird der Begriff des Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnisses beleuchtet, insbesondere bei Crowdworking und Plattformtätigkeit. Die weitere Herausforderung liegt in der Reichweite des Unfallversicherungsschutzes im Homeoffice. Dieser wurde im SGB VII neu geregelt und sichert den Unfallversicherungsschutz in gleichem Umfang zu wie in der Arbeitsstätte, wobei Arbeitsunfälle wie bisher auf der versicherten Tätigkeit beruhen müssen. Der Autor hätte es für sinnvoller gehalten, den Unfallversicherungsschutz für zuhause entfallen zu lassen, um zu verhindern, jedes Unfallgeschehen daheim mit der versicherten Tätigkeit in Verbindung zu bringen. Die Unfallprävention sei dann Privatsache. Bei der dritten Herausforderung widmet sich der Autor dem Internationalen Sozialversicherungsschutz bei vorübergehender Online-Tätigkeit aus dem Ausland, die nicht durch den Arbeitgeber veranlasst wurde, sog. Workation, einer Mischung aus Arbeiten (work) und Urlaub (vacation). Hier müsse der Begriff der Entsendung neu definiert werden. (us)


Ausgelöst wurde die Neuregelung des Sexualstrafrechts in Spanien 2016, als eine Gruppe von fünf Männern eine Frau während der San-Fermín-Feiern in Pamplona vergewaltigten. Mitgeschnittene Videos „entlasteten“ die Täter nach damaligem Recht, weil das Opfer sich nicht gewehrt hatte und passiv geblieben ist. Da Gewalt oder Einschüchterung als Voraussetzung für eine Vergewaltigung nicht nachgewiesen werden konnten, wurden die Angeklagten in erster Instanz nur wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt. Das Urteil löste eine Protestwelle im ganzen Land aus. Mit der Reform des Sexualstrafrechts durch das „Nur Ja heißt Ja“-Gesetz 2022 sollten sexuelle Handlungen nur dann als einvernehmlich einzustufen sein, wenn alle Beteiligten ihnen zustimmen oder durch aktive Beteiligung Zustimmung signalisieren. Die Zustimmung muss nicht unbedingt verbal erfolgen; eindeutige Handlungen, die den ausdrücklichen Willen bekunden, reichen aus. Das Gesetz, das eigentlich die sexuelle Selbstbestimmung der Frau stärken sollte, hatte aber das Ziel verfehlt. Da es keine Übergangsregelung vorsah, wurden Altfälle nach dem Grundsatz der begünstigenden Rückwirkung beurteilt, sodass es zu 1.205 Strafminderungen und 121 vorzeitigen Haftentlassungen von Sexualstraftätern kam. Mit der Reform der Reform in 2023 verschwand der Begriff des sexuellen Missbrauchs; jeder Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung wird nunmehr in einem einzigen Straftatbestand der sexuellen Aggression zusammengefasst und der Strafrahmen erheblich erweitert. Das Zustimmungsprinzip „Nur Ja heißt Ja“ wurde auch bereits in anderen europäischen Ländern eingeführt. (us)


Der Autor geht der Frage nach, ob das Arbeitsrecht aufgrund der veränderten Arbeitswelt angepasst werden muss. Die Arbeitswelt 4.0 beschreibt er als „personen- aber nicht ortsgebunden und nicht immer zeitgebunden“ („Different place and Different time“). Beim mobilen Arbeiten kann der Leistungsort zwischen den Vertragsparteien abweichend von der Betriebsstätte (temporär oder auf Dauer) vereinbart werden. Ist der Leistungsort für Homeoffice teilweise oder ganz im häuslichen Umfeld, sind die Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes und der Arbeitsstättenverordnung einzuhalten. Ob ein Rechtsanspruch auf einen Homeoffice-Arbeitsplatz besteht, hängt vom Arbeits- oder Tarifvertrag ab. Der Arbeitgeber hat kein Weisungsrecht, den Arbeitnehmer ins Homeoffice zu schicken. Er kann ein Homeoffice nur aufgrund einer Rechtsgrundlage beenden. Der Arbeitgeber hat beim Homeoffice den Datenschutz zu regeln und die Zutrittsrechte. Schwierig ist die Zeiterfassung im Homeoffice; einen Zwang zur automatisierten Erfassung gibt es nicht. Problematisch ist auch die Einhaltung der Ruhezeit (ggf. bei Unterbrechung) und die Abgrenzung zwischen Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft. Zuletzt widmet sich der Autor der Plattformökonomie und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Hohe Risiken bei KI-Systemen sieht er im Bereich der Beschäftung bzw. des Personalmanagements; hier muss die Entscheidungshoheit immer beim Menschen liegen. Im Ergebnis bedarf das Arbeitsrecht nur punktuell der Anpassung. (us)


An keiner Stelle sei die vielfältige – aus deutschen Staatsbürgern bestehende – Gesellschaft so eng mit der Strafjustiz verknüpft wie beim Schöffenamt. Der Autor lässt die im Schöffenamt repräsentierte Gesellschaft Revue passieren: vom Sächsischen Schwurgericht 1872 über das GVG 1877 bis zur Regelung im Ersten Gesetz zur Reform des Strafverfahrens von 1974, das für die Schöffenwahl nunmehr vorsah, dass alle Gruppen der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung angemessen zu berücksichtigen sind (§§ 36 Abs. 2, 42 Abs. 2 GVG). Da es sich um eine Sollvorschrift handele, können Verstöße dagegen eine Besetzungsrüge und somit die Revision nicht begründen. Aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung sei die Zahl der Deutschen mit Migrationshintergrund gestiegen. Diese gehörten auch zum Querschnitt der Bevölkerung. Bislang habe sich das bei der Schöffenwahl nicht niedergeschlagen. Gesellschaftliche Teilhabe sei wichtig für die Integration, auch wenn sich die moralische Überzeugung der Menschen mit Migrationshintergrund nicht immer mit der Mehrheit der Gesellschaft deckte; strafrechtliche Wertungen würden sich aber auch im Übrigen unterscheiden. In der Rechtsprechung seien Ansätze zu erkennen, Repräsentanz und Proportionalität sicherzustellen. Die für die Schöffenwahl zuständigen Gremien seien wohlberaten, „durch kluge Schöffenwahl Zeichen zu setzen“. Der Autor geht mit seinen Vorschlägen sogar so weit, frühere Reduzierungen der Schöffen rückgängig zu machen, um auf der Schöffenbank mehr Diversität und Pluralität zu ermöglichen. (us)


Ausgehend von der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des OLG Hamm bezüglich einer Schöffin mit Kopftuch sprechen nach Auffassung des Autors Gründe dafür, das sichtbare Tragen religiöser Symbole während der Gerichtsverhandlung zu untersagen. Ob das Tragen des islamischen Kopftuchs eine Streichung von der Schöffenliste aufgrund der Unfähigkeit zum Schöffenamt begründet, hat die Rechtsprechung noch nicht entschieden. Ein Verbot sichtbarer religiöser Symbole für ehrenamtliche Richter hält der Autor für verfassungskonform; das Verbot verletze nicht die Religionsfreiheit. Selbstverständlich stehe das Schöffenamt auch Menschen mit religiösen Überzeugungen und Muslimen offen. Unparteilichkeit und Neutralität sollen das Vertrauen in die Justiz sichern; Staat und Religion sind daher deutlich zu trennen. Maßgeblich ist die öffentliche Wahrnehmung des Erscheinungsbildes der Amtsträger, die sich auf der Richterbank sichtbar in der Sphäre des Staates befinden. Daher kann in der Justiz als Kernbereich staatlicher Hoheitsfunktionen ein strengeres Neutralitätsgebot naheliegen, vor allem wegen der besonderen Eingriffsintensität eines Strafverfahrens und der potenziellen Bestrafung des Angeklagten. Forderungen nach Vielfalt durch die Sichtbarkeit religiöser Minderheiten seien deshalb verfehlt. (us)

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