×

Justiz – woher und wohin?

Beitrag als PDF-Version

Liebe Leserinnen und Leser,

die Aufarbeitung einer unmenschlichen Justiz im Nationalsozialismus ist heute noch ein Thema, das Fragen aufwirft. Die „Kollegialität“, mit der – nach 50.000 Todesurteilen in 12 Jahren – zur Normalität übergegangen und ein Großteil der das System stützenden Richter in den Dienst der bundesrepublikanischen Justiz übernommen wurde, macht immer noch ratlos. Dr. Ralf Feldmann schildert sein Vorgehen gegen den sorglosen Umgang der Justiz des Grundgesetzes mit ihren NSDAP-belasteten Gerichtspräsidenten selbst noch im Ausgang des mit dem Faschismus belasteten 20. Jahrhunderts. Den verharmlosenden Darstellungen der „Kollegen“ in Festschriften und dem unkommentierten Verbleib ihrer Bilder in den „Ehrengalerien“ trat er konsequent entgegen. Die Wachsamkeit gegen das „Wegsehen“ dürfte auch heute wieder gefragt sein.

Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Zuständigkeitsstreitwerts der Amtsgerichte, zum Ausbau der Spezialisierung der Justiz in Zivilsachen sowie zur Änderung weiterer prozessualer Regelungen in den Deutschen Bundestag eingebracht. Was sich rein prozessual anhört, könnte Auswirkungen auf ehrenamtliche Richterinnen und Richter haben. Die Vereinigung der Ehrenamtlichen Richterinnen und Richter Mitteldeutschlands e. V. (VERM) und die PariJus gGmbH hatten bereits zum Referentenentwurf gegenüber dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) Stellung genommen. Einen Link zum Gesetzentwurf der Bundesregierung und zu den Stellungnahmen finden Sie in der Rubrik „Gesetzgebung“.
Mit einem weiteren Gesetzentwurf hat das BMJV eine Initiative der vorherigen Regierung aufgegriffen. Die Kriterien für den Ausschluss straffällig gewordener Schöffen sollen herabgesetzt werden (BT-Drs. 21/15). Die Diskussion darüber ist in Kreisen der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter ausgesprochen zurückhaltend. Die Stellungnahme von PariJus zum damaligen Referentenentwurf finden Sie über einen Link in der Rubrik „Kurz notiert“.

Für ehrenamtliche Richterinnen und Richter nachteilig ist – erneut – die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, diesmal im Bereich des besonderen Kündigungsschutzes nach Art. 110 der Brandenburger Landesverfassung; Einzelheiten dazu in der Rubrik „Rechtsprechung“.

Ein Blick auf die Entwicklung in den europäischen Staaten zeigt, dass die Rolle der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in der Rechtsprechung zunehmend weder in ihrer praktischen noch demokratischen Funktion wahrgenommen wird. In Österreich wird seit geraumer Zeit die Abschaffung bzw. Reform des Geschworenengerichts diskutiert. Im Kanton Zürich hat sich nach einer Änderung des Schweizer Gerichtsverfassungsrechts 2025 die letzte Laienrichterin im Zivilprozess in den Ruhestand verabschiedet. Allerdings verfügt die Schweiz über ein umfassendes Friedensrichtersystem, das – von einigen Ausnahmen abgesehen – in allen Zivilverfahren ein Schlichtungsverfahren zwingend vorschreibt. Beim Europäischen Tag der Ehrenamtlichen Richter in Bergamo wurde vereinbart, gemeinsame Standards voranzutreiben.

Wir wünschen eine erbauliche Lektüre

Ursula Sens & Hasso Lieber


Zitiervorschlag: Ursula Sens / Hasso Lieber, Justiz – woher und wohin? [Editorial], in: LAIKOS Journal Online 3 (2025) Ausg. 2, S. 43.

Über die Autoren

Copyright © 2025 laikos.eu