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OLG Brandenburg: Entbindung von einer Hauptverhandlung

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  1. Hat eine Schöffin als freigestellte Vorsitzende eine Klausurtagung des Personalrats zu leiten, stellt dies keine vertretungsfähige Tätigkeit dar. Der Vorsitzende legt den Hinderungsgrund nicht zu weit aus, wenn er die Schöffin von der gesamten mehrtägigen Hauptverhandlung entbindet.
  2. Ein Urlaub begründet regelmäßig die Unzumutbarkeit der Dienstleistung. (Leitsätze d. Red.)

Sachverhalt: An der mehrtägigen Hauptverhandlung sollten die Schöffinnen W. und H. teilnehmen. W. teilte als Vorsitzende des Personalrats wegen der Leitung einer Klausurtagung eine Verhinderung am zweiten Verhandlungstag mit, H. – unter Beifügung der Buchungsbestätigung – an drei Verhandlungstagen wegen eines Spanienurlaubs. Daraufhin wurden die Ersatzschöffinnen F. und B. herangezogen. Dagegen erhob der Verteidiger den Besetzungseinwand. Das Gericht sei mit F. und B. nicht ordnungsgemäß besetzt. Die Kammer legt den Einwand dem OLG zur Entscheidung vor.

Gründe: Die zulässige Besetzungsrüge ist unbegründet. Zwar begründen berufliche Umstände nur ausnahmsweise die Unzumutbarkeit; dies wird aber für Geschäfte angenommen, bei denen sich der Schöffe nicht vertreten lassen kann, weil etwa die Geschäfte eine Vertretung nicht zulassen oder kein geeigneter Vertreter zur Verfügung steht. Über die Verhinderung ist unter Abwägung aller Umstände (Belange des Schöffen, Verfahrensstand, voraussichtliche Dauer des Verfahrens) nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Der Vorsitzende ist zu Erkundigungen zur Verhinderung nicht verpflichtet, wenn er die Angaben für glaubhaft hält.
W. ist freigestellte Vorsitzende des Personalrats; als solche hat sie die Klausurtagung zu leiten. Dies ist keine vertretungsfähige Tätigkeit; insoweit ist der Strafkammervorsitzende bei der Entbindung nicht von einem zu weiten Begriff des Hinderungsgrundes ausgegangen. Die Beurteilung des Vorbringens war allein Sache des Vorsitzenden. Die Entscheidung zur Entbindung ist gemäß § 54 Abs. 3 Satz 1 GVG nicht anfechtbar. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Entbindung objektiv willkürlich und (nicht lediglich falsch, sondern) grob fehlerhaft ist, wofür keine Anhaltspunkte bestehen. Auch die Entbindung der H. begegnet keinen Bedenken. Ein Urlaub begründet in der Regel die Unzumutbarkeit der Dienstleistung.
Die Entscheidungen, die Schöffinnen insgesamt zu entbinden und nicht die jeweiligen Termine zu verlegen – auch bei W., die „nur“ für einen Tag ihre Verhinderung angezeigt hatte –, sind nicht als willkürlich anzusehen. Dies war angesichts des umfangreichen Beweisprogramms und der geladenen Zeugen (für den Tag der Verhinderung der W. waren vier Zeugen geladen) nicht geboten.

Link zum Volltext der Entscheidung

Zitiervorschlag: OLG Brandenburg: Entbindung von einer Hauptverhandlung, in: LAIKOS Journal Online 3 (2025) Ausg. 2, S. 68.

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