Erfolgsgeschichte oder langer Weg? – Zur Auseinandersetzung mit dem NS-Unrecht in Nordrhein-Westfalen aus Bochumer Perspektive
Vortrag auf der Veranstaltung des Fritz Bauer Forums am 7. August 2025 in Bochum
Ralf Feldmann
Abstract
Unter Bezug auf lokale und persönliche Erlebnisse aus seiner Richterzeit regt der Autor zum Nachdenken über den justizinternen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit an. Hat die Justiz den Abgrund ihres Versagens im Nationalsozialismus begriffen, letztendlich „bewältigt“ oder war es nur ein mühsamer Weg zum ethischen Minimum?
Drawing on local and personal experiences from his time as a judge, the author encourages reflection on how the judiciary deals with the Nazi past. Has the judiciary understood the abyss of its failure during the Nazi era, ultimately “come to terms” with it, or was it just a laborious path to the ethical minimum?
Redaktionell überarbeitetes Manuskript. Im Text zitierte persönliche Korrespondenz ist beim Autor archiviert.
Das Positive am Anfang: Das Justizministerium NRW stellt sich diesem Thema offiziell – als Daueraufgabe – mit der „Dokumentations- und Forschungsstelle“ an der Justizakademie Recklinghausen. Seit 1988 widmet sie sich dort zeithistorisch der Rolle der Justiz im Nationalsozialismus und nach 1945. Die Justiz NRW will sich selbst, den juristischen Nachwuchs, Schulklassen und die interessierte Öffentlichkeit für die fragwürdigen Kontinuitäten der Justizgeschichte des vergangenen Jahrhunderts sensibilisieren. Das geschieht selbstkritisch. Mehrere Grundsatzbeiträge der Forschungsstelle auf ihrer Website erklären ungeschminkt als Grundbefund: Die Nachkriegsjustiz konnte und sollte das Versagen in der NS-Zeit nicht aufarbeiten und bewältigen. Hervorzuheben sind der Aufsatz von Dirk Frenking, Richter am OLG, zum Thema „Justiz und Nationalsozialismus“1 oder der Beitrag von Oberstaatsanwalt Maik Wogersien „Zum Umgang der nordrhein-westfälischen Justiz mit der nationalsozialistischen Vergangenheit“,2 der Ergebnisse eines – vom Justizministerium beauftragten – Forschungsprojekts des Historischen Seminars und des Instituts für Rechtsgeschichte der Universität Münster zusammenfasst. Yad Vashem hat ihn auf seiner Internetseite veröffentlicht. Beide Autoren leiteten die Forschungsstelle eine Zeitlang.
Die Beiträge beschönigen nichts: Von Anfang an widersprach die Befassung mit der NS-Vergangenheit den Interessen vieler Richter, die ja zum allergrößten Teil im Amt blieben. Sie konnten nach existenzieller Unsicherheit in der Nachkriegszeit durch bereitwillige Anpassung an die konservative Restauration der Adenauer-Zeit das eigene bürgerliche Leben wieder sicher machen. Da waren – wie in der Gesellschaft insgesamt – reuevolle Rückschau oder gar konsequente Strafverfolgung für Täter, Gehilfen und Mitläufer unerwünscht. Bemühungen dazu scheiterten an der auf Entlastung und Entschuldigung programmierten Rechtsprechung des BGH. Sie machte Täter zu Gehilfen, deren Verbrechen vielfach wegen Verjährung nicht mehr verfolgt werden sollten. Die Justizverbrechen von Richtern selbst ließ der BGH in richterlichem Korpsgeist ungesühnt. Später, in der mittleren und späteren Nachkriegszeit bis ins letzte Viertel des vergangenen Jahrhunderts fehlte einer sensibleren, kritischeren Generation – politisch und gesellschaftlich von Anfang an gewollt – in überlasteten Schwerpunktstaatsanwaltschaften und Gerichten schlicht das Personal für aufwändige Ermittlungen und langwierige Strafverfahren gegen NS-Täter, die zunehmend alt und gebrechlich wurden. Schlussstrich statt Erfolgsgeschichte. „Unbefriedigend“ sei das.
Vor Ort war die Erinnerung an die NS-Zeit selten ein dringendes Anliegen der lokalen Justiz. Die schuldbeladenen Täter in der Nazi-Justiz, die Verbrechen hinnahmen, unterstützten, administrativ in der Justizverwaltung oder im Richteramt exekutierten, blieben in vielen Gerichten sichtbar. Bilder von ihnen hingen in den Ehrengalerien ehemaliger Präsidenten, gelegentlich mit retuschierten Hakenkreuzen am Revers – inzwischen fast nirgendwo mehr.
In der lokalen Erinnerung spielen Festschriften zu Gerichtsjubiläen eine wichtige Rolle. Sie lassen die Verbrechen der Nazizeit nicht aus. Die Täter als Person beschreiben sie aber eher als an sich edel gesinnte, tragisch gehorsam ins Versagen gleitende Konservative, deren gelegentliche Kontroversen mit den Machthabern bereitwillig als halber Widerstand verklärt werden, gern aus der Persilschein-Reinwäscherei ihrer Entnazifizierung. Evidente Schuld hoher Richter wird mit dem Motiv beschwichtigt, sie hätten doch wenigstens das Allerschlimmste verhindern wollen. So wollte man retten, was nicht zu retten war. Vor Ort war es nicht leicht, dieses Narrativ zu korrigieren. Die Forschungsstelle arbeitet daran, auch Chroniken von Gerichten tun dies inzwischen. Ich werde von Widerständen berichten.
Ende 1993 versuchte ich in Bochum, einen kleinen Beitrag zu leisten mit der Anregung, die beiden Fotografien der Landgerichtspräsidenten Broicher und von Vacano, auf den ich mich zunächst konzentrierte, aus der Ehrengalerie der ehemaligen Präsidenten im Präsidiumszimmer des Landgerichts zu entfernen. Es war nach der deutschen Einheit die Zeit anschwellender neo-nazistischer Hetze und rechter Gewalt, der vor allem Migranten zum Opfer fielen. Mölln und Solingen, Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda waren Brandherde. Die Justiz musste sich dazu verhalten. War es eine naive Hoffnung oder eine vernünftige Überlegung, jetzt auf symbolischer Ebene – für die Öffentlichkeit wahrnehmbar – mit der Kontinuität zu brechen?
1992 war in der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Landgerichts Bochum der Beitrag des Münsteraner Historikers Hans-Eckhard Niermann „Das Landgericht Bochum in den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur 1933-1945“ erschienen.3 Er bettet vielfältigste, von Anfang bis Ende fortgesetzte Willfährigkeit der lokalen Justizspitzen in die großen Linien des Justizversagens im Nationalsozialismus ein. Nazis und Konservative, oft in derselben Person, waren mit verwandter Mentalität bereit, den Rechts- und Normenstaat dem Maßnahmenstaat der verbrecherischen, menschenvernichtenden Staatsmacht unterzuordnen und zu opfern. Aber nicht, wie Niermann damals schrieb, in einer schleichend und prozesshaft immer stärker werdenden Politisierung und Entrechtung,4 sondern – wie er selbst durchaus mit Fakten beschreibt – durch Teilnahme an der Exekution von Unrecht und Unmenschlichkeit von Anfang an. Auch die Bochumer Präsidenten aus konservativem, christlich-katholischem Milieu wie Broicher und von Vacano, sowie ähnlich der aus dem katholischen Zentrumsmilieu stammende OLG-Präsident Schneider in Hamm, wurden nicht am Ende eines schleichenden Prozesses tragische Opfer der Staatsmacht, sondern waren von Anfang an Mittäter, mindestens Gehilfen. Es war für Konservative in Justiz und Gesellschaft oft nur ein sehr kleiner Schritt zu Hitler. Mit dieser Klarheit beurteilt Niermann in seiner späteren Studie „Die Durchsetzung politischer und politisierter Strafjustiz im Dritten Reich“ in ihrem Ersten Teil „Die politischen, personellen und institutionellen Rahmenbedingungen zur Durchsetzung politischer und politisierter Strafjustiz im Oberlandesgerichtsbezirk Hamm 1933-1945“ die Amtsausübung Schneiders.5 Die Fassade von Kollegialität und bürgerlichen Umgangsformen, gelegentliche Bereitschaft zum Konflikt mit Gauleitung und Partei vor allem in Personalangelegenheiten, wenn Gerichtspräsidenten Fachkompetenz höher gewichteten als Gefolgschaftstreue zu Führer und Partei, ändern nichts an diesem Befund.
Der Bochumer Landgerichtspräsident war, als ich mein Anliegen zunächst mündlich vortrug, aufgeschlossen, aber nicht zuletzt wegen des Festschriftenbeitrags von Niermann unsicher, über seinen Vorgänger von Vacano den Stab brechen zu sollen. Er wollte weiteren historischen Rat einholen. Am 9. November 1993 wiederholte ich deshalb meine Anregung schriftlich. Acht weitere Monate waren vergangen, als ich mich unter dem historischen Datum des 20. Juli 1994 – 50 Jahre nach dem gescheiterten Attentat Stauffenbergs auf Hitler – mit einem Appell an das Präsidium des Landgerichts wandte mit den Argumenten, die ich vorwiegend der 1990 veröffentlichten, in Bochum bei Hans Mommsen verfassten Dissertation von Ralph Angermund „Deutsche Richterschaft 1919-1945“ verdankte:6
„Von Vacano trat bereits 1932 in die NSDAP ein. Im April 1934 wurde er in Köln Landgerichtsdirektor und Vorsitzender des Sondergerichts. Seine Kammer war in Personalunion als Strafkammer auch für die sogenannten Rassenschandefälle zuständig. Das Sondergericht Köln fällte unter dem Vorsitz des angeblich tieffrommen Katholiken harte Urteile gegen katholische Geistliche und Laien. Im November 1935 verurteilte es einen Priester zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis, weil dieser in einem privaten Gespräch behauptet hatte, daß nicht die KPD den Reichstag in Brand gesetzt habe, sondern Göring, um einen Vorwand für die Verfolgung der Kommunisten zu schaffen. Die Schwester des Priesters, die ihn dabei unterstützt hatte, erhielt eine Gefängnisstrafe von fünf Monaten. Ein Priester aus dem Hunsrück wurde zur gleichen Zeit zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis verurteilt, weil er eine weithin sichtbare Fahne mit päpstlichen Insignien gehißt und einen katholischen Jugendverein gegründet hatte. 26 Gemeindemitglieder erhielten Gefängnisstrafen bis zu acht Monaten, weil sie gewaltsam versucht hatten, die Beschlagnahme der päpstlichen Fahne zu verhindern. Selbst der NSDAP-Gauleiter versuchte, eine Abmilderung eines Teils dieser Urteile zu erreichen.“
Niermann hatte in der Bochumer Festschrift – in Kenntnis der Quellenstudien Angermunds – ohne eigene Belege geschrieben, Vacanos Urteile im Sondergericht seien vergleichsweise mild gewesen, was ihm nicht nur den Unwillen der Partei, sondern auch scharfe Kritik aus der Strafrechtsabteilung des Reichsjustizministeriums eingebracht habe.7 Aber erst als Vacano – mit der Eintrittskarte der harten Kölner Urteile – 1937 Landgerichtspräsident in Bochum geworden war, wurden die Urteile des Kölner Sondergerichts deutlich milder;8 erst diese kritisierte das Reichsjustizministerium. Dort war Vacano, weil er konservativ und nationalsozialistisch und Parteimitglied seit 1932 war, durchaus gelitten. So gehörte er schon vor seiner Bochumer Zeit ab Dezember 1936 der Kommission für neues Strafverfahrensrecht des konservativen, aber immer regime- und machtgehorsamen Reichsjustizministers Gürtner an. Lothar Gruchmann hatte in seinem an Quellendichte unübertroffenen Grundlagenwerk „Justiz im Dritten Reich 1933-1940“ auch an einige Beiträge Vacanos in dieser Kommission erinnert.9 Dabei ging es unter anderem um das Eingreifen der Staatsmacht in Strafverfahren: Sollte zur Verhinderung von „Fehlurteilen“ der Oberreichsanwalt auf Weisung der Staatsführung das Recht haben, die Verweisung einer Strafsache an einen besonderen Senat des Reichsgerichts herbeizuführen? Das war umstritten. Vacanos Zustimmung dazu gipfelte in dem Satz: „Wir müssen uns vielmehr überwinden und uns dazu durchringen, solche Fälle durch ein Gericht so erledigen zu lassen, daß damit die Staatsführung zufrieden ist.“10
Das war ein Musterbeispiel von „Anpassung und Unterwerfung“ – so brachte Gruchmann im Untertitel seines Werkes die gesamte Ära Gürtner auf einen Nenner: Preisgabe der Unabhängigkeit der Justiz. Der Rechtsstaat, der die Ent-Rechtung durch Gestapo, SS und Konzentrationslager ohnehin widerstandslos über sich ergehen ließ, war nur löchrige Fassade des Maßnahmenstaates der Staatsverbrecher. Niermann attestierte Vacano trotzdem eine „eher ruhige und niemals radikale juristische Denkweise“.11 Das beeindruckte den Landgerichtspräsidenten. Aber: Ist es nicht radikal, den Rechtsstaat der Staatsmacht zu opfern? Der Bochumer Landgerichtspräsident war durch den Festschriftenbeitrag anscheinend so blockiert, dass ihn mein pathetischer Schlussappell zunächst nicht erreichen konnte, von Vacano „jetzt endlich selbstkritisch und öffentlich aus den Räumen des Landgerichts zu entfernen“, um „ebenso verspätet wie dringend (zu) zeigen, wo die Justiz heute steht“.
Ich hatte die Presse über meinen Appell an das Landgerichtspräsidium informiert. „Nazi-Richter grüßt aus der Ehrengalerie“ war am 50. Jahrestag des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1994 der bebilderte Top-Bericht im Lokalteil der Bochumer WAZ. „Die Justiz ringt mit der Vergangenheit: Es geht weiter“, so war ein Kommentar dazu überschrieben, weil – wie die WAZ gleichzeitig berichtete – die 8. Strafkammer des Landgerichts gerade „einen notorischen Neofaschisten“, ein Mitglied des „Freundeskreises Freiheit für Deutschland“, zu „einer milden Bewährungsstrafe“ verurteilt hatte wegen in Millionenauflage verteilter Hetzflugblätter mit extrem ausländerfeindlichen Parolen bis hin zur Leugnung der Morde in Auschwitz.
Wenig später informierte ich Justizminister Krumsiek – er hatte 1988 die Forschungsstelle auf den Weg gebracht – über meinen Appell, weil „das Problem“ nicht allein auf Bochum beschränkt sei. „Ob die Justiz in Nordrhein-Westfalen nationalsozialistisches Führungspersonal weiterhin in Ehren halten will“, schrieb ich, „ist vor allem auch eine politische Frage, die Ihre politische Verantwortung herausfordert“. Mit einigem Erfolg. Zum einen teilte mir das Ministerium nach gut einer Woche mit, der Landgerichtspräsident habe das Bild von Vacanos abgehängt. Zum anderen habe der Minister mein Schreiben „zum Anlass genommen, die Präsidenten der Oberlandesgerichte, die Generalstaatsanwälte und die Präsidenten der Justizvollzugsämter … um Prüfung zu bitten, ob etwa in sog. Ehrengalerien ausgehängte Bilder von Gerichts- und Behördenvorständen aus der NS-Zeit auch im Lichte der neueren Diskussion bedenkenfrei dort verbleiben können“.
In Bochum wurde in der Folgezeit auch das Bild des Präsidenten Broicher aus der Ehrengalerie entfernt, der bei der Machtübertragung an Hitler im Amt war. Er hatte unter anderem die Vertreibung jüdischer und regimekritischer Richter und Anwälte aus ihren Ämtern und Berufen gehorsam abgewickelt und die Einrichtung eines Erbgesundheitsgerichts beim Amtsgericht Bochum mitorganisiert. Von ihm, Parteimitglied seit 1933, gab es kein Wort des Protestes gegen die Gewalttaten von SA und SS, die sich auch in Bochum schon im Frühjahr 1933 gegen politische Gegner vor aller Augen ereigneten. In keiner Weise stand er dem Bochumer Amtsrichter Eberhard Greiff bei, der sich im März 1933 der Nazigewalt gegen ihre politischen Gegner – Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter – als Richter im Amt nicht gebeugt hatte. Niermann referiert die lokalhistorischen Berichte darüber. „Ihr dürft abrechnen mit den Verrätern, wir stehen zu unserem Wort und es wird abgerechnet.“ So hatte Göring in Essen in einer deutschlandweit verbreiteten Rede seine Gewalttrupps aufgestachelt. Als ein SA-Trupp, getarnt als Hilfspolizei nach der Reichstagsbrandverordnung, wenig später in Bochum den führenden SPD-Politiker Heinrich König verhaften wollte, schossen er und seine Söhne zurück und verletzten einen SS-Mann schwer. Für die SA war dies Widerstand gegen die Staatsgewalt, schwere Körperverletzung, ja Mordversuch. Eberhard Greiff sah im Waffengebrauch jedoch Notwehr, die er nicht widerlegen könne, und ließ die Königs frei. Wenig später lauerte die SA Eberhard Greiff nachts auf und schlug ihn bis zur Bewusstlosigkeit zusammen. Greiff sollte wegen Widerstands gegen die nationale Bewegung nach Oppeln versetzt werden, weigerte sich, ließ sich mit 49 Jahren in den Ruhestand versetzen, 1940 jedoch beim Amtsgericht Berlin als Hilfsrichter wieder reaktivieren.
Die Rundverfügung von Minister Krumsiek, die NS-Belastung von Präsidenten in „Ehrengalerien“ zu überprüfen, hatte ein unterschiedliches Echo. Ich fragte vorsichtshalber bei allen Gerichtspräsidenten in NRW nach, stieß vorwiegend auf positive Resonanz, selten auf Unverständnis und Widerstand. Der Präsident des OLG Hamm teilte mir bald mit, er habe die Angelegenheit mit den Präsidenten seines Bezirks erörtert und die einzelnen Gerichte würden in eigener Zuständigkeit reagieren. Am OLG Hamm seien „Bilder von Oberlandesgerichtspräsidenten, die während der Zeit des Nationalsozialismus amtiert haben, nicht mehr vorhanden“.
Dagegen reagierte der Präsident des OLG Düsseldorf mit einer Verteidigung seines Amtsvorgängers Wilhelm Schwister, der dort von 1933 bis 1943 amtierte. Er empfahl mir, dazu den Beitrag des Vorsitzenden Richters am OLG Dinslage in der Festschrift „75 Jahre Oberlandesgericht Düsseldorf“ zu lesen. Er „wolle sich darauf beschränken“, aus dem Schwister betreffenden Entnazifizierungsbescheid der Spruchkammer in Frankfurt von 1947 zu zitieren:
„Der Betroffene (Schwister) lag sowohl mit dem Gauleiter als auch mit dem Justizminister Thierack in ständigem Kampf. Er hat durch seine ablehnende Haltung und den aktiven Widerstand, den er dem Nationalsozialismus entgegenstellte, Schaden erlitten; einmal durch die Versetzung aus dem Ministerium zum Oberlandesgericht und zum zweitenmal durch die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand. Letzteres geschah mit der Aussprache des Justizministers Thierack, daß man endlich einen Mann erledigt habe, der keinen Einfluß mehr auf die Jugend im nationalsozialistischen Sinne haben kann. – Der Betroffene ist in seiner Haltung beispielslos in ganz Deutschland. Er war der einzige Provinzialchef, der weder der Partei noch dem NSRB angehörte.“12
In meiner Antwort schlug ich vor, bei Angermund und Gruchmann nachzulesen. Die OLG-Präsidenten waren die entscheidende Schaltstelle für die Amtsentfernung jüdischer und politisch bzw. weltanschaulich missliebiger Richter, Rechtsanwälte, Notare und Justizbeamter. Schon vor dem Amtsantritt Schwisters Ende 1933 schieden im OLG-Bezirk Düsseldorf bis Ende April 51 nichtarische Rechtsanwälte aus; ihre Zahl war danach nahezu halbiert. Von 22 nichtarischen Notaren waren Anfang Mai noch sieben zugelassen. Schwister kam also in der Sprache der Nazis in einen halbwegs „gesäuberten“ Bezirk. Ihm oblag es, aufgrund des Berufsbeamtengesetzes bis März 1934 21 Richter und nach dem Reichsbürgergesetz von 1935 weitere zehn davonzujagen.13 Ich griff deshalb die erstaunliche Feststellung im Beitrag Dinslages auf, am OLG Düsseldorf sei zwar schon vor 1933 „ein gewisser Antisemitismus spürbar“ gewesen, dass aber „Nichtarier von ihren Kollegen vor und nach 1933 korrekt behandelt“ wurden.14 „Die Davongejagten von Präsident Schwister?“, fragte ich nun dessen Amtsnachfolger. Dinslage referierte eine Würdigung Schwisters durch den später langjährigen OLG-Präsidenten Baerns (1948-1963), der unter Schwister in der Justizverwaltung des OLG eingesetzt war, obwohl er einen jüdischen Großvater hatte:
„Wenn ich an Schwisters Amtszeit zurückdenke, dessen Mitarbeiter ich war, gehörte Schwister meiner Meinung nach zu den Menschen, die trotz aller Bedenken und trotz aller Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten in ihrem Amt blieben, um Schlimmeres zu verhüten. (…) Er setzte sich – und zwar gelegentlich mit Erfolg – für politisch unzuverlässige oder rassisch verfolgte Beamte immer ein, wenn er sie für tüchtig, brauchbar oder jedenfalls anständig hielt.“15
„Waren die Davongejagten nicht tüchtig, nicht brauchbar, nicht anständig? Durften sie deshalb wegen ihrer Geburt ausgestoßen werden?“, fragte ich 1995 den OLG-Präsidenten. Und ich lenkte ihn auf Schwisters Mitverantwortung für den Massenmord der „Euthanasie“-Aktion T 4, durch die mehr als 71.000 Menschen getötet wurden; der anschließenden „wilden Euthanasie“ fielen nach seriösen Schätzungen über 100.000 weitere Menschen zum Opfer. Als in der Nazi-Sprache „lebensunwert“ ermordet wurden psychisch Kranke, ebenso Menschen, die ohne Rücksicht auf den Grad ihrer Erkrankung oder Missbildung zu Geisteskranken erklärt wurden, wegen politischer Missliebigkeit, ihrer Rasse oder mangelnder Arbeitsfähigkeit. Das war die Einübung des späteren Holocaust gleichsam im kleineren Format mit Gasvernichtungswagen. Das eingesetzte Personal lernte und trainierte dabei für die Massenvernichtung.16
Von Staatssekretär Schlegelberger im April 1941 in Berlin zu einer Konferenz zusammengerufen, nahmen die versammelten deutschen OLG-Präsidenten und Generalstaatsanwälte Hitlers formlosen Befehl zur Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ – Gnadentod genannt – ohne ein Wort des Widerspruchs entgegen. Sie bestärkten so die Hauptakteure des bereits laufenden Massenmordes mit ihrer Bereitschaft, darüber in der Justiz Totschweigen abzusichern, wann immer dort das Ungeheuerliche laut würde: in Vormundschafts- und Nachlassgerichten, durch Nachfragen von Angehörigen oder Strafanzeigen. Auch Heimtücke-Verfahren gegen Whistleblower, die hier und da an die Öffentlichkeit gingen, sollten unbedingt verhindert werden. All dieses sollte als „Vortragssache“ unverzüglich zum OLG-Präsidenten berichtet werden, der das Totschweigen so weit wie eben möglich zu organisieren und dazu die nachgeordneten Gerichte einzuweihen und anzuhalten hatte. So geschah es auch, wie Aktendokumente zeigen, im OLG-Bezirk Düsseldorf. Die einschlägigen Bereiche der Justiz bis zu den Amtsgerichten waren aufgrund der auf der Konferenz erteilten Weisungen bald überall in Deutschland über die Euthanasiemorde informiert. Ein einziger Richter im ganzen Deutschen Reich, der brandenburgische Vormundschaftsrichter Kreyssig, remonstrierte – schon vor der Konferenz – dagegen, zeigte den in der Reichskanzlei verantwortlichen Reichsleiter Bouhler sogar an und ließ sich auch von Staatssekretär Freisler nicht umstimmen. Kreyssig wurde in den Ruhestand versetzt, Schlimmeres geschah ihm nicht. Im nahen Münster protestierte der nationalkonservative Bischof von Galen öffentlich auf der Kanzel gegen Mord und die Nichtanzeige schwerster Verbrechen; ihm geschah nichts. Schwister dagegen, der sich angeblich mit aktivem Widerstand dem Nationalsozialismus entgegenstellte, so sein Entnazifizierungsbescheid, machte mit.
Was bedeutet es für die Positionierung des OLG Düsseldorf zum Nationalsozialismus, wenn es an Schwister 1981 in der Festschrift mit einem Zitat des Nachkriegspräsidenten Baerns erinnert, der „nur mit großer Verehrung an ihn, den kenntnisreichen, hochgebildeten, schwer an seinem Amt tragenden Menschen denken“ mochte?17 Wenn nicht Schönfärben das vordringliche Erkenntnisinteresse gewesen wäre, hätte man seine Verstrickung in die Euthanasiemorde in der schon 1972 erschienenen Studie von Lothar Gruchmann „Euthanasie und Justiz im Dritten Reich“ erfahren können,18 statt sich mit Baerns und dem Entnazifizierungsbescheid zu begnügen.
Auch ohne tiefergehendes historisches Interesse hätten sich am Tagesgeschehen teilnehmende Juristen an die Bemühungen Fritz Bauers erinnern können, der 1965 die noch lebenden Teilnehmer der Berliner Tiergartenkonferenz – Schwister war schon 1947 gestorben – strafrechtlich zur Rechenschaft ziehen wollte. Er schuldigte sie beim Landgericht Limburg als Gehilfen des Euthanasie-Massenmordes an: nach der damaligen Prozessordnung zunächst zu weiteren gerichtlichen Vorermittlungen im Vorverfahren vor einem großen Schwurgerichtsprozess, den Bauer anstrebte. Für ihn war das Schweigen der Präsidenten entgegen ihrer Amtspflicht Mordbeihilfe, Nichtanzeige von Tötungsdelikten (§ 129 StGB), Rechtsbeugung (§ 336 StGB), Strafvereitelung im Amt (§ 346 StGB), Missachtung der Pflicht zur Verfolgung von Straftaten (§ 152 StPO). Nach Bauers Tod jedoch setzte das im ganzen Verfahren widerwillige Landgericht Limburg 1970 die wenigen noch verbliebenen Angeschuldigten außer Verfolgung, nachdem die Generalstaatsanwaltschaft in Hessen auf deren rechtlich und tatsächlich groteske Verteidigungsargumente umgeschwenkt war. Helmut Kramer hat das in seinem Aufsatz „Oberlandesgerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälte als Gehilfen der NS-„Euthanasie“ eingehend beschrieben,19 ein Meilenstein in der Erinnerung der Justiz an ihr Versagen, aber 1995 für die Rückschau des OLG Düsseldorf auf die eigene NS-Vergangenheit ohne Bedeutung. Man hielt sich an der Festschrift fest. Fritz Bauer hatte in seiner Anschuldigungsschrift den unbestreitbaren Kern seines Schuldvorwurfs noch so formuliert:
„Gemessen an den Anforderungen, die in den Strafverfahren der Nachkriegszeit an kleinste Gehilfen nationalsozialistischen Unrechts gestellt wurden, war von den versammelten Spitzen der deutschen Justiz zu erwarten, daß sie widersprachen, notfalls sogar erklärten, ihr Amt zur Verfügung zu stellen, um zu verhindern, daß sie durch ihr Stillschweigen zu Gehilfen tausendfachen Mordes wurden. Ihre Schuld wird darin erblickt, daß sie sich gleichwohl zu schweigenden und tätigen Mitwissern haben machen lassen.“20
Es war nicht nur passives Stillschweigen, sondern im Vollzug des Massenmordes aktive Beihilfe. Nichts von Bauers Sicht stand im abschließenden Votum der Generalstaatsanwaltschaft, der sich das Landgericht Limburg in einem Sechs-Zeilen-Beschluss ohne inhaltliche Erörterung vollinhaltlich anschloss.21 Damit blieb diese administrative Mordbeihilfe der deutschen Justizelite „zur Vernichtung unwerten Lebens“ ebenso straffrei wie die unzähligen Morde der furchtbaren Spruchrichter durch Todesstrafen, denen – so das Haupt- und Standardargument zu ihrer Entlastung – der für eine Verurteilung auch notwendige direkte Vorsatz zur Rechtsbeugung gefehlt habe, wenn und weil sie dem Nazi-Recht gefolgt seien. Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein, sagte der Marinerichter Filbinger, nun Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Etwa 50.000 Todesurteile verhängte die sich ständig steigernde Terrorjustiz in den zwölf Jahren gegen „Volksschädlinge“, „Defätisten“ und „Wehrkraftzersetzer“, oft wegen Bagatellen.22
Im Vorwort der Düsseldorfer OLG-Festschrift von 1981 sprach auch Justizministerin Inge Donnepp noch „vom tragischen Kampf, den sein Oberlandesgerichtspräsident Schwister im Dritten Reich gegen die damaligen Machthaber wegen ihrer Übergriffe auf die Justiz geführt hat“.23 Dazu gehörte auch, dass sich Schwister bei der Vor- und Nachschau in Strafsachen besonders hervortat. Er ließ sich wöchentlich von einem Referenten über wichtige Strafsachen unterrichten. Seine Anweisungen wurden den Landgerichtspräsidenten übermittelt, die diese an die Strafgerichte weitergaben. Im Sommer 1942 berichtete er dem Reichsjustizministerium, es sei ihm gelungen, die Rechtsprechung in seinem Bezirk weitgehend zu vereinheitlichen. Richter, die in der Folgezeit einen „Hang zu unangebrachter Milde“ zeigten, zitierte er zu sich, ermahnte sie nachdrücklich und ließ in Gesprächen mit Landgerichtspräsidenten durchblicken, dass ein „Abbau minderwertiger und nicht mehr tragbarer Richter“ möglich sei.24
Gleichwohl endet der Beitrag über die NS-Geschichte des OLG in der Festschrift – noch 1995 vom OLG-Präsidenten zur Lektüre empfohlen – mit einem Auszug aus der Abschiedsrede Schwisters von 1943. Worüber sprach er? Über die Richtertugenden! Und es sollte wohl ein Resümee zur NS-Justiz in Düsseldorf sein, wenn Dinslage 1981 seinen Rückblick mit den Worten des Mordgehilfen Schwister über den tugendhaften rheinischen Richter in der NS-Zeit enden lässt:
„Diesen gerechten und weisen, mutigen und besonnenen, gütigen Richter, habe ich in meiner Laufbahn, nicht zuletzt auch hier am Rhein, in zahlreichen Persönlichkeiten kennen, schätzen und lieben gelernt, und auf gleicher Höhe standen und stehen zahlreiche Staats- und Rechtsanwälte – bei der Gleichheit der Herkunft und Vorbildung sind dies kommunizierende Röhren.“25
In meiner Antwort an den OLG-Präsidenten kündigte ich an, Anfang Mai 1995 (es nahte der 50. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus) in Düsseldorf über den Präsidenten Schwister und seinen Ehrenplatz informieren zu wollen, und schloss mit dem Satz: „Sicherlich besser wäre es, wenn Sie dies durch die fällige Entfernung seines Bildes aus der Ehrengalerie entbehrlich machen würden.“ Justizminister Krumsiek erhielt eine Kopie des Schreibens. Sehr rasch verwahrte sich der OLG-Präsident nun gegen die „Unterstellung“, Präsident Schwister werde in Düsseldorf geehrt. „Zu einem solchen Gedenken bestände auch – darin stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu – kein Grund.“ Ob eine nur historische Dokumentierung seiner Präsidentschaft ebenso nicht gerechtfertigt sei, bedürfe aber noch einer weiteren Überprüfung. Deswegen habe er das Bild des Präsidenten Schwister aus der Fotogalerie entfernen lassen. Und noch im April ergänzte der OLG-Präsident, in allen Fotogalerien der Präsidentengerichte seines Bezirks seien die Fotografien von Präsidenten der Zeit zwischen 1943 und 1945 entfernt worden. So weit, so gut. Aber 2011 – 15 Jahre später – fand ich auf der Internet-Seite des OLG Düsseldorf in einer Chronik für 1933 bis 1945 folgenden Text:
„Das OLG bleibt auch nach der Machtergreifung als Rechtsprechungsorgan bestehen. Seine traditionelle Rolle als unabhängiger Träger der dritten Gewalt kann es in dem neuen Regime jedoch nicht bewahren. Das Gesetz hat sich dem Willen des Führers und dem Primat nationalsozialistischer Politik unterzuordnen. Das bekommen auch Richter und Staatsanwälte zu spüren. Ein erheblicher Teil beugt sich den Erwartungen, tritt in die Partei ein und passt die eigenen Entscheidungen dem Zeitgeist an. Ein Teil wahrt aber auch Distanz zum System und versucht im Kleinen, Gerechtigkeit walten zu lassen. Zu den Distanzierteren gehört auch der langjährige Präsident des Oberlandesgerichts Wilhelm Schwister (geb. 20.7.1878). Der parteilose Jurist wird 1933 von dem wichtigen Posten des Juristischen Prüfungsamtes in Berlin nach Düsseldorf versetzt und weiß hier, dem Einfluss der NSDAP auf das Gericht und seine Rechtsprechung Grenzen zu setzen.“
Kritisch, aber immer noch mit halber Verbeugung vor Schwister. Der kritische Teil war offenbar inspiriert von Richter am OLG Karl-Heinz Keldungs, der sich in seinem Beitrag „Das Oberlandesgericht in der Zeit des Dritten Reiches“ in der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des OLG Düsseldorf von der Festschrift 25 Jahre zuvor ausdrücklich absetzte. Die dort zitierte Behauptung des Nachkriegspräsidenten Baerns, das OLG sei bis zum Schluss eine „relative nazifreie Insel“ und „bis zum Schluss eine vornehme Behörde“ geblieben, halte mit Blick auf die Richterbiografien und markante Entscheidungen einer kritischen Überprüfung nicht stand.26 In der folgenden Korrespondenz stimmte mir nun auch die amtierende OLG-Präsidentin ausdrücklich zu, dass Schwister kein Widerständler und zwar auch „kein halber, sondern durchaus ein loyaler Diener des Dritten Reiches (war), der sich gegen die fatalen Entscheidungen des Regimes nicht nur nicht aufgelehnt, sondern zu deren Umsetzung die Hand gereicht hat“. Sie kündigte an, die Chronik weiter zu überarbeiten. Immerhin sei er aber – nie Parteimitglied – der Partei ein Dorn im Auge gewesen, deshalb 1933 von Berlin nach Düsseldorf und 1943 in den Ruhestand versetzt worden. Am bedeutsamsten sei, dass er ein Parteimitglied als Personaldezernenten verhindert habe. Solche Unterschiede und Widersprüche müsse man wahrnehmen, „um wirklich zu verstehen, was geschehen ist und wie es geschehen konnte“.
Heute erinnert das OLG Düsseldorf in seiner Chronik an die Zeit von 1933 bis 1945 nur noch mit einem Text, der allein eine Positionierung zu seinen damaligen Präsidenten enthält. Schwister habe in Düsseldorf „daran mitgewirkt, die verbrecherischen Ziele des Nationalsozialismus umzusetzen“. Er habe im April 1941 in Berlin an einer Tagung der OLG-Präsidenten und Generalstaatsanwälte teilgenommen, bei der die Anwesenden über das „Euthanasie“-Vorhaben aufgeklärt worden seien. Er sei der Weisung gefolgt, „etwaige Vorverfahren ohne weitere Ermittlungen einzustellen“. 1942 habe er Sondergerichtsrichter, die „einen Hang zu unangebrachter Milde zeigten“, ermahnt und sie auf „Mängel ihrer Rechtsprechung“ hingewiesen.27 Dennoch sei er 1943 wegen seines ausbleibenden Parteibeitritts und seiner Kritik an der Verfolgung kirchlich gesinnter Justizbeamter in den Ruhestand versetzt und durch den besonders linientreuen Paul Windhausen, vorher Generalstaatsanwalt in Düsseldorf und alter Kämpfer seit 1923, ersetzt worden. Die Fotografien von Schwister und seinem Nachfolger Windhausen sind aber in Düsseldorf wieder kommentarlos in die Präsidentengalerie aufgenommen worden. Die OLG-Präsidentin begründete das so:
„Eine Ehrengalerie der OLG-Präsidenten gibt es hier im Hause nicht. Die Portrait-Fotos der bisherigen Amtsinhaber, die zu Zeiten meines Vorgängers an der Wand des Konferenzraumes hingen, haben nach den Renovierungs- und Umbauarbeiten einen neuen Platz an der Seitenwand der Bibliothek gefunden. Dort hängt auch das Foto von Herrn Schwister, der ebenso wie die anderen OLG-Präsidenten nun einmal zu der Geschichte dieses Hauses gehört. Das Foto hängt übrigens neben dem von Paul Windhausen, der Schwister abgelöst und dem Regime als aktiver Nationalsozialist gewiss willfähriger gedient hat, als dieser es in den Augen der damaligen Machthaber getan hat. Eine Bewertung der Persönlichkeiten ist mit dieser Dokumentation nicht verbunden. Vielmehr geben die Bilder – wie die der anderen auch – nur einem nicht zu leugnenden Abschnitt der Geschichte dieses Hauses ein Gesicht.“
Damit brach mein Austausch mit dem OLG Düsseldorf zunächst ab. Im November 2016 verwarf der BGH die Revision des ehemaligen SS-Unterscharführers Gröning. Er war in Auschwitz im Rampendienst und zur Verwertung des Geldes der Ermordeten eingesetzt, bestritt aber eigenhändige Vernichtungstaten. Das Landgericht Lüneburg hatte ihn wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 rechtlich zusammentreffenden Fällen der „Ungarn-Aktion“ zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Der BGH begründete – im Gegensatz zu früher – warum der Angeklagte als relativ kleines Rädchen auf unterer Ebene der Vernichtungsmaschinerie ohne direkte Vernichtungsbeiträge als Mordgehilfe zu verurteilen sei:
„Nur weil ihnen eine derart strukturierte und organisierte „industrielle Tötungsmaschinerie“ mit willigen und gehorsamen Untergebenen zur Verfügung stand, waren die nationalsozialistischen Machthaber und die führenden SS-Funktionäre überhaupt in der Lage, die „Ungarn-Aktion“ anzuordnen und in der geschehenen Form auch durchführen zu lassen.“28
Es war von mir aus so etwas wie ein verspätetes Schlusswort, als ich die Präsidentin des OLG nochmals an die durchaus größeren Räder der Justiz-Tötungsmaschinerie erinnerte, die Hitlers Euthanasie-Mordbefehl ohne jedes Widerwort schweigend hinnahmen, in ihren Amtsbereichen deckten und absicherten. Dass der Mordgehilfe Schwister, ohne Parteimitglied gewesen zu sein, dem Regime weniger willfährig gedient hätte als sein Nachfolger, der aktive Nationalsozialist und alte Kämpfer Windhausen, der zudem als Generalstaatsanwalt von Köln zwar zur Tiergartenkonferenz verhindert war, die Euthanasiemorde danach aber ebenfalls gedeckt und unterstützt hatte, wolle mir nicht einleuchten. Die meisten Gerichte des Landes hätten zu der Einsicht gefunden, dass die „Justizeliten des Menschenvernichtungsstaates nicht in gleicher Weise erinnerungswürdig sind wie ihre Vorgänger und Nachfahren – als wäre nichts geschehen und alles nur geschichtliche Kontinuität. Am OLG Düsseldorf wurde dagegen das Bild des Mordgehilfen Wilhelm Schwister erst abgehängt, dann – bewusst – wieder aufgehängt. Warum nur? …. Mir scheint, ein öffentlicher, mindestens gerichtsöffentlicher Diskussionsprozess darüber könnte hilfreich sein – auch für das Ansehen der Justiz in ihrem Umgang mit dem Abgrund unserer Geschichte“.
Stattgefunden hat er nicht. Auch die Forschungsstelle müsste das Thema „Geschichte und Nationalsozialismus“ noch um die lokalen Beiträge der deutschen Justizelite in der Justiz-Tötungsmaschinerie der Euthanasiemorde ergänzen, so wie das in Wikipedia-Artikeln über einzelne Mordhelfer geschehen ist. Ihre Verurteilung konnte Fritz Bauer seinerzeit nicht erreichen. So bleibt die historische Erinnerung umso wichtiger. Sie fehlt auch in der Chronik auf der Website des OLG Hamm für die NS-Zeit, die im Übrigen klar und deutlich keinerlei Relativierung von Justizverbrechen oder Schuldentlastung ihrer NS-Präsidenten erkennen lässt. Im Gegenteil: Rudolf Schneider, seit 1932 Präsident, wird unter der Überschrift vorgestellt: „Ein neuer Präsident stellt sich in den Dienst des nationalsozialistischen Unrechtsstaates.“ Und weiter:
„Schneider gilt als konservativ, gehört 1933 noch der Zentrumspartei und dem katholischen Beamtenbund an. In den nahezu zehn Jahren seiner Präsidentschaft beim Oberlandesgericht Hamm wird Schneider allerdings den nationalsozialistischen Umbruch von Anfang an vorbehaltlos unterstützen. Er akzeptiert den Nationalsozialismus als einzige staatliche Ordnungsmacht und ist darauf bedacht, seine politische und ideologische Radikalität so weit wie möglich im Bezirk des Oberlandesgerichts umzusetzen.“29
Unter „Hammer Justiz stützt die nationalsozialistische Diktatur“ schildert die Chronik die Entwicklung der Terrorjustiz der OLG-Strafsenate und der Sondergerichte im OLG-Bezirk.
„Bis zum Jahre 1945 verurteilen allein die politischen Strafsenate des Oberlandesgerichts Hamm mehr als 15.000 Regimegegner wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ oder – nach Kriegsbeginn – auch wegen „Wehrkraftzersetzung“ zu langjährigen Zuchthausstrafen. Ähnlich hart bestrafen die dem Oberlandesgericht unterstehenden Sondergerichte in Bielefeld, Dortmund, Essen und Hagen weitere ca. 12.000 Angeklagte wegen „Heimtückevergehen“ oder als „Volksschädlinge“ bzw. „Kriegswirtschaftsverbrecher“. Das Oberlandesgericht Hamm und die Sondergerichte verhängen in dieser Zeit mindestens 350 Todesurteile. Zudem ordnen die Amtsgerichte in ihrer Funktion als sog. Erbgesundheitsgerichte die Zwangssterilisation einer Vielzahl von Frauen, Männern und Kindern an.“30
Erinnert wird auch an die Vertreibung jüdischer Justizangehöriger und Rechtsanwälte, die nach dem Berufsbeamtengesetz und den Nürnberger Rassegesetzen Amt oder Beruf und die wirtschaftliche Lebensgrundlage verloren.
Ergänzt werden könnten die Hinweise auf Hans Semler, der Rudolf Schneider als OLG-Präsident folgte: Alter Kämpfer der NSDAP seit Studentenzeiten 1922, ohne persönliche und fachliche Qualifikation 1936 zunächst 34-jährig Generalstaatsanwalt und ab 1943 OLG-Präsident, der seine fachliche Überforderung dadurch kompensierte, dass er es neben den Justizämtern 1943 zum SA-Oberführer brachte, sich mehrfach erfolglos bei der Waffen-SS bewarb und noch im September 1944 auf eigenen Wunsch zur Wehrmacht wechselte. Bei der Tiergartenkonferenz war er verhindert, ließ aber wenig später in einem Lagebericht an das Ministerium keinen Zweifel an seiner Unterstützung der Euthanasiemorde zu, bedauerte gar die Mitteilung, dass sie eingestellt würden, obwohl doch die überwiegende Mehrzahl des deutschen Volkes der Beseitigung unheilbar Geisteskranker aus innerer Überzeugung Verständnis entgegenbringe. Als Generalstaatsanwalt hatte er die Aufsicht über die Emslandlager gehabt und er gehörte einem kleinen Arbeitskreis von Mitarbeitern des Reichsjustizministeriums, des Reichsicherheitshauptamts und der Gestapo an, die sich über Art und Weise von verschärften Vernehmungen abstimmten. Bis 1947 in britischer Internierung wurde er im Spruchkammerverfahren 1949 als „minderbelastet“ eingestuft, für den Justizdienst immerhin als untragbar erklärt.31
Eingebettet war das mühsame, zunächst von vergangenheitspolitischer Schönfärberei durchsetzte, jetzt aber doch sehr klare Bekenntnis zum Versagen der Justiz im Nationalsozialismus in das Unvermögen der Justiz meiner Zeit, die Akteure millionenfacher Menschenvernichtung schuldangemessen zu bestrafen. Die strafrechtsdogmatischen Entlastungskonstrukte der Rechtsprechung einer Justiz, die nach der NS-Zeit weitermachen durfte, führten in langwierigen Großverfahren, oft mit zahlreichen Angeklagten, zur akribischen Suche nach Exzesstaten, um Mörder doch als Täter verurteilen zu können, oder zur Suche nach konkreten, zumindest vernichtungsnahen Einzeltaten, um Beihilfe begründen zu können. Dabei lag die Zugehörigkeit zum System unleugbarer Menschheitsverbrechen fast immer auf der Hand, war unschwer festzustellen und hätte schon deshalb zu angemessenen Strafen führen können.
Der Majdanek-Prozess in Düsseldorf gegen Mitglieder der Lagerleitung des KZ Majdanek endete 1981 nach fünf Jahren und sieben Monaten. Das Landgericht Bochum verhandelte von 1979 bis 1985 sogar noch einen Monat länger gegen einen einzelnen Angeklagten, den SS-Scharführer Helmut Krizons, wegen Mordes und Beihilfe zum Mord an mindestens 15.000 jüdischen Menschen, die von Lodz nach Chelmno (Kulmhof) gebracht und dort im Vernichtungslager vergast wurden. Es verurteilte ihn schließlich wegen Beihilfe zum Mord – mild – zu drei Jahren Freiheitsstrafe. In einem Schwurgerichtsprozess, für den sich die Justiz schämen muss. In diesem Verfahren mit insgesamt 310 Sitzungstagen kam es in der Beweisaufnahme zu 39 Dienstreisen ins Ausland. Das ist nicht zu kritisieren. Aber 20 Reisen zu Zeugenvernehmungen rechneten die drei Berufsrichter und zwei Staatsanwälte zum Teil mit Hilfe eines – vom Verteidiger des Angeklagten vermittelten – Reisebüros betrügerisch ab. So verbanden sie etwa die Flugreisen zum Vernehmungsort mit privaten Vergnügungsabstechern, gaben bei der Abrechnung die offiziellen Flugtarife an, flogen jedoch – vom Reisebüro arrangiert – mit erheblich billigeren Weichwährungstickets; die Differenz zum offiziellen Flugticket in Hartwährung deckte die Vergnügungsmehrkosten der Gesamtreise ab. Das kam schon 1983 mitten im Verfahren heraus, Medien berichteten darüber süffisant und empört. Die Vergnügungskumpanei mit dem Verteidiger begründete eigentlich Befangenheit und brachte das Verfahren auf die Kippe. Die Verfahrensbeteiligten arrangierten sich jedoch zu einem – nun erwartbar – milden Urteil. Mit Blick auf die Opfer, denen als Zeugen die Rückbesinnung auf ihr schreckliches Schicksal abverlangt wurde, waren – noch dazu betrügerische – Vergnügungsabstecher im Kontext ihrer Vernehmung eine unverzeihliche, gefühl- und respektlose Schande für die Justiz. Dirk Frenking fasst in dem eingangs erwähnten Aufsatz die Ergebnisse der NS-Prozesse so zusammen:
„Insgesamt hat die westdeutsche Justiz bis 1998 in NS-Strafsachen Ermittlungsverfahren gegen 106.000 Personen eingeleitet, von denen knapp 6.500 rechtskräftig verurteilt worden sind. Darunter waren 150 lebenslängliche Freiheitsstrafen und – vor Inkrafttreten des Grundgesetzes, das die Todesstrafe verbietet – auch 14 Todesurteile, die u. a. vom Obersten Gerichtshof in der britischen Zone verhängt worden waren. Die meisten Verurteilten erhielten jedoch nur eine Freiheitsstrafe von unter fünf Jahren. Es darf demgegenüber jedoch nicht übersehen werden, dass nach vorsichtigen Schätzungen in den Konzentrations- und Vernichtungslagern etwa 500.000 Personen am Holocaust beteiligt gewesen sind.“32
Also eine Verurteilungsquote von 1,3 %. Maik Wogersien spricht im Resümee seines Aufsatzes für Yad Vashem vom beachtlichen Bemühen der Gerichte und Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen. Dennoch bleibe „die juristische „Bewältigung“ der NS-Vergangenheit trotz gewichtiger Rechtsprechung wie im Düsseldorfer Majdanek-Prozess oder im Kölner „Lischka-Verfahren“ unbefriedigend. „Zu zögerlich, zu spät und zu mild reagierten Gesellschaft, Politik und Justiz aus heutiger Sicht auf die Herausforderung, gegen NS-Verbrecher vorzugehen. So bleibt die bittere Erkenntnis, dass oft nur die kleinen Schergen, nicht aber die Planer und Schreibtischtäter zur Verantwortung gezogen worden sind. Die Verbrechen, die NS-Gerichte gegen Tausende von politisch Verfolgten Juden und „Fremdvölkischen“ begangen haben, blieben ungesühnt.“33
Für Wolfgang Weber, einen der Ankläger im Majdanek-Prozess, war ein Hauptgrund des Scheiterns die unzureichende personelle Ausstattung der Justiz. Der sie allerdings nicht nachdrücklich entgegengetreten ist. Man war froh, wenn man von NS-Verfahren verschont blieb. In Webers Worten: „… man hätte Hunderte Richter und Staatsanwälte und entsprechende Polizeikräfte einstellen müssen. Die Aufgabe war zu gewaltig, das Ausmaß der Verbrechen zu groß. Es fehlte der Wille, das bis zum Letzten zu ahnden. Die Justiz ist eben auch ein Spiegel der Gesellschaft.“34
- Dirk Frenking, Justiz und Nationalsozialismus [Abruf: 1.9.2025]. ↩︎
- Maik Wogersien, Zum Umgang der nordrhein-westfälischen Justiz mit der nationalsozialistischen Vergangenheit [Abruf: 1.9.2025]. ↩︎
- In: Hans Gerhard Feckler/Volker Brüggemann (Hrsg.), Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Landgerichts Bochum 1892-1992, Bochum 1992, S. 119-152. ↩︎
- Niermann (Fn. 3), S. 120. ↩︎
- Justizministerium des Landes NRW (Hrsg.), Düsseldorf 1995. ↩︎
- Ralph Angermund, Deutsche Richterschaft 1919-1945, Frankfurt/M. 1990, zu von Vacano: S. 138, 145 f.; von Vacano war in Kölner Zeit Mitglied im Ehrengericht des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes (NSRB) und NSRB-Gaustellenleiter. ↩︎
- Niermann (Fn. 3), S. 134. ↩︎
- Angermund (Fn. 6), S. 146. ↩︎
- Lothar Gruchmann, Justiz im Dritten Reich 1933-1940, München 1988, zu von Vacano: S. 942, 1015, 1028, 1033 f. ↩︎
- Ebenda, S. 1043. ↩︎
- Niermann (Fn. 3), S. 134. ↩︎
- Karl H. Dinslage, Das Oberlandesgericht in der Zeit von 1933 bis 1945, in: Heinrich Wiesen (Hrsg.), 75 Jahre Oberlandesgericht Düsseldorf, Köln 1981, S. 67, 77. ↩︎
- Zahlen nach Gruchmann (Fn. 9), S. 151 f., 167, 171. ↩︎
- Dinslage (Fn. 12), S. 69. ↩︎
- Ebenda, S. 77. ↩︎
- Zum gescheiterten Bemühen des hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer, die deutsche Justizelite für ihre Beteiligung an der „Euthanasie“-Aktion strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, vgl. die Beiträge und Dokumente in: Hanno Loewy/Bettina Winter (Hrsg.), NS-„Euthanasie“ vor Gericht, Frankfurt/M. 1996; sehr informativ auch: Christoph Schneider, Diener des Rechts und der Vernichtung, Frankfurt/M. 2017. ↩︎
- Dinslage (Fn. 12), S. 77. ↩︎
- In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1972, S. 235 ff.; später ders. in: Justiz im Dritten Reich 1933-1940 (Fn. 9), S. 497 ff. ↩︎
- In: Kritische Justiz 1984, S. 25-43. ↩︎
- Abgedruckt in: Loewy/Winter (Fn. 16), S. 145, 165. ↩︎
- Abgedruckt in: Loewy/Winter (Fn. 16), S. 168 ff., 180 f. ↩︎
- Uwe Wesel, Geschichte des Rechts, 4. Aufl., München 2014, S. 490. ↩︎
- Zum Geleit, in: Heinrich Wiesen (Hrsg.), 75 Jahre Oberlandesgericht Düsseldorf, Köln 1981, S. V. ↩︎
- Angermund (Fn. 6), S. 232. ↩︎
- Dinslage (Fn. 12), S. 82 (Anh.). ↩︎
- In: Anne-José Paulsen (Hrsg.), 100 Jahre Oberlandesgericht Düsseldorf, Berlin 2006, S. 3 f. ↩︎
- Historie des Gerichts [Abruf: 1.9.2025]. ↩︎
- BGH, Beschluss vom 20.9.2016, Az.: 3 StR 49/16, Rn. 23 [Abruf: 1.9.2025]. ↩︎
- Christian Nubbemeyer, Chronik des Oberlandesgerichts Hamm, 2023 [Abruf: 1.9.2025]. ↩︎
- Ebenda, S. 16. ↩︎
- Informativ: Hans Semler, in: Wikipedia [Abruf: 1.9.2025]. ↩︎
- Frenking (Fn. 1), S. 10. ↩︎
- Wogersien (Fn. 2). ↩︎
- Zitiert nach Frenking (Fn. 1) S. 11. ↩︎
Zitiervorschlag: Ralf Feldmann, Erfolgsgeschichte oder langer Weg? – Zur Auseinandersetzung mit dem NS-Unrecht in Nordrhein-Westfalen aus Bochumer Perspektive. Vortrag auf der Veranstaltung des Fritz Bauer Forums am 7. August 2025 in Bochum, in: LAIKOS Journal Online 3 (2025) Ausg. 2, S. 48-56.